«Wissen + Können» ist der beste Tierschutz»
«Das Pferd, der geborene Athlet. Es ist auf Leistung getrimmt – von Geburt an. Die Frage ist nicht, ob sie können, sondern vielmehr, ob sie sollen.» Das Symposium PFERDE 2022 widmete sich dem Themenbereich «Wie lernt ein Pferd? Zwischen Langeweile und Überforderung». Gewährt wurden verschiedene Einblicke und Erfahrungen von 11 internationalen Experten der heutigen Pferdehaltung und dem Bewegungs- und Lernbedarf des Pferdes in unserer Zivilisation unter dem Aspekt der physischen und psychischen Belastungsgrenze. Eröffnet wurde durch Martin Plewa, ehemaliger deutscher Bundestrainer der Sparte Vielseitigkeitsreiten. Er verdeutlichte, was sich in den letzten 30 Jahren in Bezug auf den Pferdesport und in der Zucht verändert hat. Das Ziel des (schnellen) Zuchtfortschrittes, auch unter dem Druck der Konkurrenz mit anderen Verbänden im In- und Ausland, aber auch die (durchaus berechtigten) kommerziellen Interessen bei der Vermarktung dürfen nicht auf Kosten des Wohles der jungen Pferde verfolgt werden. Denn die gesellschaftliche Akzeptanz des Pferdesports hängt nicht nur von der Qualität erbrachter Leistungen unter dem Sattel ab, sondern auch davon, wie jungpferdegerecht Selektionen und Prüfungen in der Pferdezucht ablaufen. Michael Weishaupt, Professor und Leiter der Sportmedizin der Vetsuisse-Fakultät der Universität Zürich, referierte über die Bewegungsmöglichkeiten und die physischen Belastungsgrenzen eines Pferdes. Beim Athlet Pferd ist die körperliche UND mentale Auslastung nicht viel anders als bei einem Ferrari. Auch beim Pferd gibt es Standschäden, z.B. nimmt die Knochendichte ab. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, was drin steckt an Fähigkeiten auch ausleben zu dürfen. Sowohl in freier Bewegung sowie auch unter dem Sattel. Im Allgemeinen müssen sie wieder mehr Galoppieren dürfen – auch unter dem Sattel – um den Bewegungsapparat und die Fähigkeit zur Flucht aufrecht erhalten zu können. Auch das bedeutet für das Flucht- und Beutetier Pferd Sicherheit, Wohlbefinden und Tierwürde. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir eingestehen, dass das, was wir mit unseren Sinnen wahrnehmen (wollen) wohl nicht immer der Realität entspricht. Mehr Objektivität und Offenheit der Wissenschaft gegenüber würden hier sicher nicht schaden. Trotzdem wird die vollendete Reiterei und das Trainieren von Pferden immer eine Kunst bleiben. Doch sollte man sich bewusst sein, dass in der Kunst nichts zufällig ist, sondern mit Kompetenz, makelloser Technik, Fleiss und Disziplin, Wissensneugier und vor allem Ehrlichkeit zu tun hat. «Die Theorie ist das Wissen, die Praxis das Können. Immer aber soll Wissen dem Handeln vorangehen.» (A. Podhajsky, Die klassische Reitkunst) Die Notwendigkeit eines ausgeglichenen Gemütszustandes im Zuge des Trainings. Das Pferd ist grundsätzlich enorm lernfähig und lernt ausserordentlich schnell. Wie und worauf im Besonderen bei der Ausbildung junger Pferde geachtet werden soll, erläuterte der österreichische Fachtierarzt Robert Stodulka. Es muss nicht alles neu erfunden werden. Das Grundprinzip aus der Ethologie des Pferdes zu verstehen ist notwendig, um Stresssituationen während des Trainings möglichst zu vermeiden, da das Pferd sich sehr rasch in dem alten ihm von Natur aus vorgegebenen "Flight and Fight"-Schema wieder findet, und dazu flüchten, sprich durchgehen, scheuen etc. beginnt. Das Körperschema Dolto erklärt deutlich, wie der Körper und der Geist gemeinsam aufgebaut werden können. Unter Berücksichtigung, dass das Körperschema für alle Individuen einer Gattung gleich ist, jedoch das Körperbild als lebende Synthese von Erfahrungen aufgebaut und verändert werden kann. Unter Körperbild (body image) versteht man, grob vereinfacht, den Bezug, den man von sich zu seinem Körper hat, als lebende Synthese aller Erfahrungen. Abgesehen von neurophysiologischen Komponenten des Körperschemas gibt es noch einen weiteren wesentlichen biomechanisch wichtigen Aspekt. Wir sprechen von der Diversifikation nach Dolto, der Einteilung muskulärer Strukturen in die so genannten gymnastischen oder Bewegungsmuskeln und den kybernetischen Muskeln. Daraus resultiert in Folge, dass in jungen Jahren einmal falsch oder schlecht einstudierte Bewegungsabläufe nur sehr schwer zu korrigieren sind. Zur Erlangung des richtigen Körpergefühls auch unter dem Reiter dient in erster Linie eine solide Grundausbildung, die z.B. nach der HDV 12 erst nach dem 2. Trainingsjahr (alte Remonte) als abgeschlossen angesehen werden kann, wo wir in Analogie zum Aufbau der Faszienstabilität dieses Zeitfenster auch im Kampfsport oder Leistungssport sehen. Die so geförderte alte Remonte kann danach den Weg ihrer Bestimmung, eine weitere Spezialisierung als Dressur, Spring- oder Vielseitigkeitspferd einschlagen. Psychische und durch das Wachstum bedingte physische Überbelastungsmomente werden so weitestgehend ausgeschlossen und das Pferd in der Prägephase von Bewegungsabläufen und seiner Einstellung zur Arbeit im Unterbewusstsein positiv unterstützt. Jedoch darf und muss es lernen mit Stress und Aussenreizen umzugehen. Auch die innere Stimmung des Menschen wirkt sich auf die Lernfähigkeit des Pferdes aus. Grundsätzlich ist der Umgang mit dem Pferd einfach, wir Menschen denken zu kompliziert. Es müssen ausreichend Reize für den Muskelaufbau gesetzt werden. Für die im Pferd genetisch angelegten Bewegungen müssen mit den Reiterhilfen verknüpft werden. Die Übung macht den Meister. Neue Lerninhalte sollen am Anfang einer Reiteinheit kommen und nicht am Ende. Pferdegerecht bedeutet in diesem Kontext, dass die Dressur als biomechanische Gymnastik zubetrachten ist, die das Pferd bestmöglich im Rahmen seiner Möglichkeiten fördert, es für seinen Verwendungszweck stärkt. Die Dressur ist unabdingbar mit der Akzeptanz der grundlegenden Bedeutung der Psychomechanik hinsichtlich des Lernerfolges verbunden. Dressieren soll in diesem Zusammenhang mit Erziehen und Formen gleichgesetzt und nicht mit dem stupiden Repetieren von Übungsabläufen verwechselt werden. Dressur und das Wissen der Psychomechanik hinsichtlich des Lernerfolges müssen heutzutage eng verbunden sein. Wenn das Pferd während der Ausbildung schöner, gesünder, stärker und motivierter wird, dann haben wir Reiter einen guten Job gemacht. «Das alte Wissen um die Pferde darf nicht verloren gehen und sollte mit den heute zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Möglichkeiten studiert werden.» In seinem zweiten Vortrag sprach er über die tierärztliche Tätigkeit und Sorgfaltspflicht im Fokus eines Gerichtsgutachters. Die Präsidentin des SVTPT, Brigitte Stebler, erklärte dass die heutigen Pferde eindeutig übertherapiert sind. Einerseits aus dem femininen „Super-Helper-Syndrome“ und aus Überforderung des Reiters, welche sich vielfältig zeigt. Ein selbstverantwortlicher Weg des Besitzers aus dem Kreislauf der Übertherapie ist von Notwendigkeit. Sandra Schaefler vom Schweizer Tierschutz stellte fest, dass sowohl Langeweile als auch Überforderung tierschutzrelevant ist. Langeweile ist in allen Haltungsformen möglich aber auch in Bezug auf die Nutzung des Pferdes mit seinem natürlichen Bewegungsbedarf und -bedürfnis. Stéphane Montavon, Chef Veterinärdienst der Schweizer Armee und med. vet. Charles Trolliet erklären denBegriff Ethik im Zusammenhang mit der Pferdewelt. Sie spielt eine immer grössere Rolle in unserer Gesellschaft, die sich in einem tiefgreifenden Wandel befindet und in der sich die Stellung des Pferdes stark verändert hat. Reiter, Pferdebesitzer und Pferdehalter müssen sich fragen, ob ihr Verhalten gegenüber Pferden ethisch korrekt ist. Dies erfordert nicht nur Nachdenken, sondern vor allem Grundkenntnisse über Equiden, ihre physischen wie psychischen Funktionen und ihre Bedürfnisse. Das Image des Pferdesports, ob als Wettkampf oder Freizeitsport, wird entscheidend für die eigentliche Zukunft des Pferdes und aller damit verbundenen Aktivitäten sein. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass dieses Image sowohl innerhalb der Branche als auch gegenüber der breiten Öffentlichkeit positiv ist, damit das Pferd seinen Platz in unserer Zivilisation behält und sich diese in den kommenden Jahrzehnten weiterentwickelt. Die Pferde werden immer athletischer, schneller, beweglicher und die Menschheit wird fauler, langsamer und ängstlicher. Wohin führt das? An den Podiumsdiskussionen gaben Martin Plewa für die Warmblutszene, Simone Reiss für den Westernsport, Roman Spieler für die Islandpferde und Berni Zambail, ein rassenübergreifender Horseman, ihre Wahrnehmung zu den Themen und beantworteten zahlreiche Fragen aus dem Publikum. Im Focus stand die Glaubwürdigkeit des Pferdesportes gegenüber der Öffentlichkeit. Die Stellung des Pferdes in unserer Gesellschaft, der Paradigmenwechsel vom Nutztier zum Begleiter, bringt immer mehr „Boreout“-Pferde hervor. Das hat weder mit Tierwürde noch mit dem Tierwohl etwas gemeinsam und kann durchaus gefährlich werden. Die Pferde haben in der Natur keine Probleme – sondern erst wenn der Mensch sie zu sich nimmt. Der Reiter muss diese Verantwortung vollumfänglich tragen. Wissen und Können aufbauen mit genügend Selbstreflexion, Objektivität und Sensibilität. «Menschen lieben es, wie Menschen behandelt zu werden und Pferde lieben es, wie Pferde behandelt zu werden.» Referierende: Dr. med. vet. Stéphane Montavon DVM, Chef Veterinärdienst der Schweizer Armee, Schweizer Rat und Observatorium der Pferdebranche (COFICHEV) Martin Plewa Martin Plewa Akademie für Harmonie zwischen Menschen und Pferden, Ausbilder von Pferden, Reitern und Reitlehrern, ehem. Bundestrainer der Vielseitigkeitsreiter, Olympia-Goldmedaillengewinner, aktiver WM- und EM-Teilnehmer Sandra Schaefler Biologin, Schweizer Tierschutz, Fachstelle Pferde Dr. med. vet. Robert Stodulka Tierarzt allgemeine & komplementäre Medizin, Fachtierarzt für Physiotherapie und Rehabilitationsmedizin, Spezialisierung Akupunktur, Osteopathie, Mitglied des Prüfungssenates der Fachtierarztprüfungskommission für Physiotherapie und Rehabilitationsmedizin, Wien Dr. med. vet. Charles F. Trolliet Schweizer Rat und Observatorium der Pferdebranche (COFICHEV), designierter SVPS-Präsident Esther Weber-Voigt Pferdephysiotherapie BMG, Strukturelle Osteopathie BMG, Bio- und Neurostimu-lation, Inhaberin und Leiterin des Lehrzentrums EWV - staatlich anerkannte Einrichtung nach dem Weiterbildungsförderungsgesetz M-V, DQS ISO 9001 und AZAV international zertifiziert, mobile Fahrpraxis, Initiantin Forum «Pferd und Mensch» an der Pferd Bodensee. Prof. Dr. med. vet. Michael Weishaupt, PhD, Dipl. ACVSMR Leitung Sportmedizin, Vetsuisse-Fakultät UZH, Fachgebiete: Leistungsphysiologie, Biomechanik/Bewegungswissenschaft, Satteldruckmessung. Zürich Gastkommentator*innen: Gangpferde: Roman Spieler, Inhaber Islandpferdehof Lieburg, IPVCH Trainer A, Ausbilder, Sportrichter, Erwachsenenbilder SVEB 1, Mitglied Nationalkader, aktiver internationaler Sportreiter, «Leidenschaft leben» Western: Simone Reiss, Präsidentin SWRA, Spezialistin Pferdeberufe, Vorstand OdA Pferdeberufe «Mentale und körperliche Einheit zwischen Reiter und Pferd.» Horsemanship: Berni Zambail, 6* Parelli Master, «Die Leute kommen, wenn nichts mehr geht...» Therapie: Brigitte Stebler, Tierphysiotherapeutin mit Eidg. Diplom, Präsidentin SVTPT, «Das Thema liegt mir am Herzen.» Wohin fliesst der Erlös aus dem Symposium PFERDE 2021? Dank zwei sehr gut besuchten Veranstaltungen, unseren Referenten, die auf den Grossteil des Honorars verzichtet haben und den Sponsoren, können wir nun doch eine beachtliche Summe für die Forschung rund um das Wohlbefinden unserer Pferde investieren. Die Richtlinien für einen finanziellen Beitrag an einer Studie sind: Das Ergebnis soll einen Mehrwert für die breite Pferdewelt bringen. Die Studie soll repräsentativ aufgegleist und somit aussagekräftig sein. Sie hat keine nationale und internationale Doppelspurigkeit zu anderen bereits abgeschlossenen oder aktiven Studien. Die Arbeit soll auf dem aktuellen internationalen Wissen aufbauen. Das Fazit des Symposiums gilt als Herausforderung: Der Geheimtipp von Prof. Vervuert lautet: Verwenden Sie DAS Supplement des Jahres! Ein Produkt für Wohlbefinden, Sättigung, Zahngesundheit, Prävention Magenschleimhautveränderungen, Elektrolyte, Wasserhaushalt, Magen-Darm-Stabilisator und Vitamine. Es heisst HEU, lieber in ein qualitativ einwandfreies Heu investieren als in Supplemente zur «Darmstabilisierung». Projektgruppe pferdegerechtes Raufutter (nicht nur noch HEU!) ZIELDEFINITION: Die Produktion und pferdegerechte Qualität von Raufutter (Heu, Haylage, Stroh) in zwei Sorten (Erhalt/Leistung) von der Saat bis zur Futternachbehandlung festzulegen, unter Berücksichtigung des Klimawandels, Nutzung von adäquaten technischen Hilfsmitteln der Landwirtschaft und der Lungengesundheit der Pferde. Den Wissenstransfer in Print, Schulung für alle Beteiligten sicherzustellen. Wer in den letzten Jahren nicht teilnehmen konnte, kann die Vorträge herunterladen: https://www.corinnehauser.ch/shop-symposium-pferde.html#/
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